Das Dorfzentrum von Grengiols war in den vergangenen Jahrzehnten stark vom Restaurant Bettlihorn geprägt. Die Stiftung Dorf am Bettlihorn hat die Liegenschaft im Jahr 2022 erworben, um dort das Dorfhotel POORT A POORT zu realisieren. Die Vorbesitzerin und EHEMALIGE Wirtin Hannelore Imhof nimmt uns im Interview mit in die Vergangenheit und erzählt, was sie sich vom neuen Dorfhotel erhofft.
Das markante Gebäude am Dorfplatz war ab 1947 im Besitz der Familie Eduard und Beata Schmidt-Jentsch. Die Eltern von Hannelore nutzten die Räumlichkeiten zu Beginn als “Tante-Emma-Laden”. Ab 1952 wurde das Angebot schrittweise ausgeweitet, sodass die Kunden durch eine Schiebetür ins Restaurant gelangen konnten. Ab 1967 arbeitete Hannelore gemeinsam mit ihrer Mutter im Restaurant, während ihr Vater in seinem in Zwischenzeit gegründeten Transportunternehmen tätig war. 1976 wurde die Liegenschaft umgebaut und der Laden aufgegeben. Das neu geschaffene Restaurant bot Platz für 70 Gäste. In den Jahren 1985 bis 1989 wurde das Restaurant erfolgreich verpachtet. Da keine neuen Pächter gefunden werden konnten, entschloss sich die Eigentümerfamilie kurzerhand, das Restaurant als Übergangslösung für ein Jahr wieder selbst zu betreiben. Aus einem Jahr wurden schliesslich 25 weitere Jahre, in welchen Hannelore zunächst mit ihrer Mutter Beata und dann mit ihrer Tochter Priska zusammen wirtete, bevor das Restaurant Bettlihorn 2015 seinen Betrieb einstellte.
Stiftung: Wie geht es dir aktuell? Mit welchen Gefühlen blickst du auf das Restaurant Bettlihorn zurück, das nun nicht mehr in eurem Familienbesitz ist?
Hannelore: Ich habe gemischte Gefühle. Einerseits denke ich immer wieder mit Wehmut an meine Gäste zurück. Es waren zwar strenge Jahre, aber ich war gerne Gastgeberin. Es war daher ein spezieller Moment, als ich am 25. April 2015 um 6 Uhr morgens zum letzten Mal das Restaurant abschloss. Plötzlich war da einfach eine Stille und ausgelöschte Lichter. Andererseits habe ich auch Freude, dass es jetzt weitergeht mit dem Restaurant. Es hat mich aber emotional berührt, als David (Anmerkung: Architekt David Ritz, Mitglied des Projektteams) letzten Herbst Sondierungen für den Umbau (zum Dorfhotel) gemacht hat. Alte Täfer kamen zum Vorschein und damit viele Erinnerungen aus meiner Kindheit. Ich bin ja auch da aufgewachsen.
“Ich habe Freude, dass es jetzt weitergeht mit dem Restaurant.” - Hannelore Imhof
Stiftung: Erzähle uns bitte von deinen jahrzehntelangen Erfahrungen als Wirtin in Grengiols. Welche Erlebnisse sind dir besonders in Erinnerung geblieben?
Hannelore: Für mich haben die Gäste die Erinnerungen stark geprägt. Wir haben die verschiedensten Arten von Anlässe bewirtet: Von kalten Platten zum Zvieri nach einer Taufe, über Walliserteller oder bis in die 70er Jahre auch noch Glühwein, Käse und Brot für Beerdigungen, bis hin zu Hochzeits-Apéro oder Fasnachtsfeiern. Die Jahre waren durch die Freude und das Leid der Dorfgemeinschaft gezeichnet. Vieles war sehr schön, aber wenn ich heute auf den Friedhof gehe, kommen mir ab und zu Tränen. Viele Senioren, die täglich zum Kaffee und Gipfeli kamen, sind inzwischen nicht mehr da.
Es gab eine Zeit, in der einige Leute aus dem Dorf nach Amerika ausgewandert sind. Beispielsweise nach Santa Fe, um dort als Ranger und Melker zu arbeiten. Fast von jeder Familie ist dazumal jemand ausgewandert. Einer der Ranger (Stockalper) war auf Besuch bei Verwandten und kehrte dann mit seiner Tochter bei uns ein. Die Tochter begann dann Handorgel zu spielen und weil an diesem Nachmittag auch das musikalische Trio (Gebrüder Walpen + Fritz Lengnacher) anwesend war, hatten wir plötzlich mitten am Nachmittag ein grosses Fest. Jemand kam dann auf die Idee, dass man eine Schallplatte aufnehmen könnte. Entstanden ist die nachstehende Schallplatte.
Ein Schreckmoment war der 14. Oktober 2000. An diesem Tag regnete es stark. Bei der Brücke oben im Dorf hatte es Holz angeschwemmt und es drohte eine Überschwemmung. Wir mussten das Restaurant fluchtartig verlassen und uns in Sicherheit bringen. Wie hastig unsere Flucht war, zeigte sich darin, dass unsere Serviertochter das Portemonnaie auf dem Tisch liegen liess und wir nicht mal die Tür abschliessen konnten. Glücklicherweise konnten ein Camionneur und ein Traxführer die drohende Katastrophe verhindern und haben die Brücke entfernt. Das Restaurant war anschliessend während drei Tagen geschlossen. Übrigens ereignete sich am Vortag das Unglück von Gondo.
“Das Vereinsleben hat das Dorf geprägt und war auch für uns als Wirte wichtig. So wechselten die Dorfvereine von Jahr zu Jahr zwischen den drei Restaurants im Dorf ab." - Hannelore Imhof
Positiv war, dass viele Junge bei uns zusammengefunden haben und das ganz ohne Partnervermittlung. Was mir sonst auch noch in Erinnerung bleibt, ist z.B. der runde Stammtisch, der meist von der Fussballmannschaft belegt wurde. Das Vereinsleben hat das Dorf geprägt und war auch für uns als Wirte wichtig. So wechselten die Dorfvereine von Jahr zu Jahr zwischen den drei Restaurants im Dorf ab. Grossanlässe führten wir jeweils in der Turnhalle durch und konnten da nicht selten auch auf Unterstützung von Leuten aus dem Dorf zählen.
Stiftung: Welche Bedeutung hatte das Restaurant Bettlihorn während dieser langen Zeit für das Dorf?
Hannelore: Das Restaurant Bettlihorn war ein wichtiger Treffpunkt für die Dorfbevölkerung - angefangen morgens um 8 Uhr für Gipfeli und Kaffee, teilweise bis spät in die Nacht. Während Junge sich zum Darts oder Schach spielen, jassen, zarfle (Mühleziehen) trafen, fanden sich Ältere zum “doorfen” (diskutieren) im Restaurant wieder. Für unsere Spezialität - die hauseigene Fonduemischung - waren wir aber auch über die Grenzen von Grengiols hinaus bekannt. Als ab den 80er Jahren Grengiols vermehrt auch von Touristen besucht wurde, durften wir dank der guten Lage und der Nähe zur Post und zum Konsum Leute aus nah und fern bei uns begrüssen. Als ich sagte, dass wir aufhören, waren die Leute gar nicht begeistert. Ich hätte das gerne erhalten, habe aber auch gesagt, dass sicher jemand kommt, der wieder öffnet. Ich werde teilweise noch heute darauf angesprochen.
“Das Restaurant Bettlihorn war ein wichtiger Treffpunkt für die Dorfbevölkerung - angefangen morgens um 8 Uhr für Gipfeli und Kaffee, teilweise bis spät in die Nacht." - Hannelore Imhof
Stiftung: Das Bettlihorn soll als Teil des POORT A POORT Dorfhotels wieder zu neuem Leben erwachen. Welche Hoffnungen und Erwartungen hast du an das neue Dorfhotel?
Hannelore: Ich wünsche mir, dass der Charakter des alten Restaurants noch erkennbar bleibt. Ich glaube, dass mich dies mit grosser Freude erfüllen wird, wenn das Hotel aufgeht. Den neuen (Betreibern) wünsche ich alles Gute. Ich hatte mein Leben und jetzt muss man den anderen die Chance geben und dankbar sein, dass sie das angehen und etwas Neues damit anfangen. Ich vertraue ihnen, dass es gut wird. Etwas Neues hat auch immer sein Gutes. Ich gehe ganz sicher auch ab und zu vorbei, ohne mich dabei aber zu fest einzumischen.
Stiftung: Was möchtest du als erfahrene Gastgeberin den künftigen Pächtern des Dorfhotels mit auf den Weg geben?
Hannelore: Ich wünsche mir, dass man jemand Jüngeres findet, der/die mit neuem Elan das Ganze wieder aufbaut. Ich würde den neuen Pächtern empfehlen, dass sie das Restaurant mit viel Einsatz und Engagement führen, ein offenes Ohr für Gäste und Einheimische haben und erhoffe mir, dass auch sie unseren Vereinen für deren Anlässe Gastrecht bieten. Wer selber auf die Leute zugeht, der wird in Grengiols gut aufgenommen und erhält auch Unterstützung. Ich würde zudem empfehlen, mit einer kleinen Karte anzufangen. Heute hat es ja viele Wanderer und durch den Landschaftspark auch Velofahrer, die nur kurz vorbeikommen und einkehren wollen. Bei uns erhielt man auch am Nachmittag etwas, wenn auch nur eine Kleinigkeit. Aus meiner Sicht wäre es auch schön, wenn man eine Familie finden würde. Ich bin sehr dankbar, dass ich auf die Unterstützung von meinen Eltern und Schwestern und später von meinen Töchtern und meinem Ehemann zählen konnte. Für den Start und den Betrieb wünsche ich den Neuen auf jeden Fall viel Glück und Erfolg.
“Ich würde den neuen Pächtern empfehlen, dass sie (...) ein offenes Ohr für Gäste und Einheimische haben und erhoffe mir, dass auch sie unseren Vereinen für deren Anlässe Gastrecht bieten. " - Hannelore Imhof
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